Erhellendes über »Marienbader Bergschluchten«

Prof. Osterkamp   (Foto: Uni Tübingen)

Zur feierlichen Semestereröffnung des Deutschen Seminars der Universität Tübingen hat Professor Dr. Ernst Osterkamp unter dem enigmatischen Titel »Marienbader Bergschluchten« zu Goethes großem Schlüsselthema »Liebe« einen ausgezeichnet fundierten sehr erhellenden Vortrag gehalten. Den Rahmen boten die »Hans-Mayer-Lectures« die von Professor Dr. Eckart Goebel seit 2017 veranstaltet werden. Die am Lehrstuhl für Komparatistik und Neuere Deutsche Literatur der Eberhard Karls Universität Tübingen eingerichtete Hans-Mayer-Lecture soll einmal im Jahr das Andenken des bedeutenden Literaturwissenschaftlers, Kulturkritikers, Essayisten und Schriftstellers Hans Mayer ehren und sein akademisches Vermächtnis im Zeichen der Aufklärung lebendig halten.

Neben Studentinnen und Studenten des Instituts waren auch renomierte Literaturwissenschaftler*innen und Dozent*innen unterschiedlicher Provenienz erschienen. Besonders erfreut zeigten sich der Institutsleiter und der Referent des Abends über die Anwesenheit von Dr. Inge Jens, die den letzten großen Goetheband von Hans Mayer mit ihm drei Jahre vor seinem Tod herausgegeben hatte.

Dr. Inge Jens und Heinrich Bleicher, Vorsitzender der HMG    (Foto: Bendel)

Professor Osterkamp wies zu Beginn seines Vortrages auf die jahrzentelange Beschäftigung Mayers mit Goethe hin. Zeitlich gesehen steht da am Anfang der wenig bekannte Band »Unendliche Kette – Goethestudien« von 1949. Wesentlich für einen Neubeginn der Diskussion über Goethe war aber der „geistreiche 1973 erschienene Essay“ »Goethe – Ein Versuch über den Erfolg«. Die Begründung für den Erfolg des Buches lag in den Veränderungen von 1968, auch wenn Goethe da noch nicht Thema war. Aber, so der Referent, „dass Hans Mayer mit seiner ʹKraft zum Widerstandʹ sagte, jetzt schreibe ich über Goethe, das machte auch Goethe dann wieder zu einem neuen Gegenstand des intellektuellen Diskurses.“

Mit dem Zentralthema des alternden Goethe, ʹob und wie sich ohne Liebe weiterleben lasseʹ, von seiner »Marienbader Elegie« bis zum Ende von »Faust II«, hat Hans Mayer sich allerdings nicht beschäftigt. Dem Referenten zu diesem Thema in seiner äußert schlüssigen und erhellenden Argumentation zu folgen, war spannend und eine große Freude für die Anwesenden.

Lesen sollte man also nicht nur Mayers Texte von 1973 und 1999 sondern auch die Veröffentlichung von Professor Osterkamps Vortrag, im „Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts Frankfurt 2019“.