Hans Mayer

| Bibliographie |

Ein Deutscher auf Widerruf

„Die Gleichzeitigkeit der Gegensätze, ist immer Kölns Lebensgesetz gewesen“[1], so der am 19. März 1907 geborene Hans Mayer über seine Geburtsstadt. Der Sohn einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie hat die Dialektik der gesellschaftlichen Entwicklung und den wissenschaftlichen Zugang dazu schon früh begriffen. Als kritischer junger Student in der Weimarer Republik war er ein von Georg Lukács‘ »Geschichte und Klassenbewusstsein« geprägter „Roter Kämpfer“. Für ihn ist „Köln ist immer beides gewesen, These wie Antithese, mit Hegel und Marx zu sprechen.“[2]

Hans Mayer 1991 bei der Leipziger Buchmesse        (Foto: Jehnichen)

1931 promovierte Mayer an der Kölner Universität bei Professor Fritz Stier-Somlo mit einer Arbeit über „Die Krisis der deutschen Staatslehre“. Das Studium der Rechtswissenschaften schloss er am 4. Juli 1933 in Berlin mit der zweiten großen Staatsprüfung ab. Bei seinen Prüfern auf der anderen Seite des Tisches saß Roland Freisler, der spätere Präsident von Hitlers sogenanntem »Volksgerichtshof«. Mit Schreiben vom 10. Juli 1933 wird er aufgrund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, aus dem preußischen Justizdienst entlassen. Nach Köln kehrt er nicht mehr zurück. Die Nazis hatten seine Wohnung schon durchsucht. Über Belgien geht er ins französische und schweizerische Exil.

In Frankreich arbeitet er für Max Horkheimers »Institut für Sozialforschung« über soziologische Fragen. Im schweizerischen Exil – wo Professor Hans Kelsen den jungen Wissenschaftler, den er noch aus Köln kannte, unterstützte – wandelte dieser sich vom Juristen zum Literaturwissenschaftler. Angespornt dazu auch durch den Schweizer Diplomaten, Essayisten und Historiker Carl Jacob Burkhardt. Immer noch auf der Höhe der Zeit ist sein dort geschriebenes Buch über Georg Büchner.

Nach dem Ende des Krieges kehrt der 1938 Ausgebürgerte ins zerstörte Deutschland zurück. Von 1945 bis 1947 ist er Kulturredakteur und politischer Chefredakteur bei der deutsch-amerikanischen Nachrichtenagentur DANA bzw. Radio Frankfurt. Doch mit seinen Kommentaren und seiner politischen Auffassung als Sozialist konnte er sich in den Zeiten des beginnenden Kalten Krieges nicht halten. Im Februar 1947 wird Hans Mayer als Gründungsmitglied der Vereinigten der Verfolgten des Naziregimes (VVN) zum Landesvorsitzenden in Hessen gewählt. Einer Partei tritt er nicht mehr bei, aber der VVN gehört er als Ehrenmitglied bis zu seinem Tode an.

Im „anderen Deutschland“, wo man einen sozialistischen Staat aufbauen will, wird er als Professor für Literaturwissenschaften in Leipzig willkommen geheißen. Berühmt und von Teilnehmerinnen und Teilnehmern überfüllt sind Mayers Vorlesungen im Hörsaal 40 der Leipziger Universität. Hervorragende Schüler wie Volker Braun, Uwe Johnson, Adolf Dresen, Friedrich Dieckmann und Christa Wolf sitzen in seinen Seminaren. Mit seinem Freund Ernst Bloch und dessen Frau Karola steht er für einen unabhängigen, kritischen Marxismus. Das kommt bei den Herrschenden der SED nicht gut an. Nach Blochs Weggang 1961 ist mit Mayer immer noch „eine Lehrmeinung zu viel“.

Grab Hans Mayers in Berlin (Foto: HB)
Grab Hans Mayers in Berlin (Foto: HB)

1963 kehrt der „Deutsche auf Widerruf“ in das westliche Deutschland zurück. Er wird Professor für Literatur in Hannover. Nach seiner Emeritierung geht er zu den Blochs nach Tübingen. Die Zahl der Veröffentlichungen Hans Mayers zeugt von einem langen und vielfältigen Oeuvre. Allein an Büchern hat er über 70 Publikationen erreicht und die Zahl der Zeitschriftenbeiträge, Vorworte, Nachworte, Kommentare etc. geht hoch in die Hunderte. Die Themenvielfalt ist faszinierend, neben literarischen und literaturwissenschaftlichen Veröffentlichungen sind es juristische, soziologische, kulturpolitische und musikalische Themen denen er sich sowohl historisch als auch tagesaktuell widmete.

Seit den 50er Jahren bis in die späten 80er Jahre hinein ist Mayer mit seinem fast enzyklopädischen Wissen bekannt und gefragt als Autor und Gesprächspartner in Ost und West sowie europaweit. Seine Reisen führen ihn auch nach Israel, China und in die USA.

Gestorben ist Hans Mayer am 19. Mai 2001 in Tübingen. Begraben ist er auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin. Die Grabstelle liegt nicht weit entfernt von Georg Friedrich Wilhelm Hegel, Heinrich Mann, Bertolt Brecht, Anna Seghers, Hanns Eisler und anderen Zeitgenossen, die sein Denken und Wirken, sowie seine Tätigkeit als Mitkämpfer für eine bessere, humanistische Welt auch beeinflusst haben.

[1] Hans Mayer, Stadtansichten, Frankfurt am Main 1989, S. 44
[2] Ebenda, S. 36

Der nach Hans Mayer benannte Weg im Grüngürtel zwischen Zülpicher und Luxemburger Straße (Foto: HB)

 

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