“…die Wahrheit sagen, hinausrufen dass wir protestieren”

Antifaschistische Lesungen zum Jahrestag der Bücherverbrennung

Nach einer pandemiebedingten Pause hat der Arbeitskreis Zivilklausel der Uni Köln in diesem Jahr wieder Lesungen zur Erinnerung an die Bücherverbrennung der Nazis durchgeführt. In seiner Einleitung zu der Veranstaltung, die vor dem Haupteingang der Uni am Albertus-Magnus-Platz stattfand, hat Peter Förster daran erinnert, wie sich damals die Unileitung und die Masse der „burschenschaftlich dominierten und nationalistisch verhetzten Studenten“ verhalten hat.

Am11. April 1933 wurde Ernst Leipold zum neuen Direktor gewählt. Dieser begrüßte das neue System. So war die Universität zu Köln der allgemeinen Gleichschaltung um 10 Tage zuvorgekommen. Mit diesem Entgegenkommen gegenüber den Nationalsozialisten hoffte man einige Positionen zu retten.[1]

Vertrieben wurden aber alle jüdischen Professoren. Hierzu führte Peter Förster namentlich auch Hans Kelsen an.[2] Jüdischen Studenten, die in Köln promoviert hatten, wurde später auch der Doktorgrad entzogen. Hierzu gehörten u.a. Hans Mayer, Ossip K. Flechtheim und Jakob (Jack) Schiefer.[3]

Peter Förster vom AK Zivilklausel  (Foto: HB)

Im ersten Lesebeitrag erinnerte der Autor dieses Textes an Erich Mühsam. Der vor 90 Jahren im KZ Oranienburg von den Nazis ermordetet Schriftsteller, Anarchist und Revolutionär stand weit oben auf der Verhaftungsliste der Faschisten. Während anderen Schriftstellern und Schriftstellerinnen, wie Feuchtwanger Brecht und Keun die Flucht noch gelang wurde Erich Mühsam einen Tag nach dem Reichstagsbrand morgens um 5 Uhr verhaftet. Am Tag vorher war es ihm noch unter großen Schwierigkeiten gelungen, das nötige Geld für die Ausreise zu bekommen. Seine Frau Zenzl hat seinen Leidensweg beschrieben. Ihr ist es auch zu verdanken, dass viele seiner Texte vor der Vernichtung durch die Nazis gerettet wurden. Im Verbrecherverlag ist 2014 ein Lesebuch mit einer gelungenen Auswahl seiner Texte sowie Beiträgen von Zenzl Mühsam erschienen.[4] Der Abschnitt „Freiheit als Prinzip“ wird eingeleitet durch Mühsam programmatischen Artikel »Nolo«. Den Abschluss bildet ein Auszug aus der letzten Rede Mühsams, die er im Februar 1933 vor eine Gruppe oppositioneller Schriftsteller des SDS gehalten hat:

[…] Und ich sage euch, dass wir, die wir hier versammelt sind, uns alle nicht wiedersehen. Wir sind eine Kompanie auf verlorenem Posten. Aber wenn wir hundertmal in den Gefängnissen verrecken werden, so müssen wir heute noch die Wahrheit sagen, hinausrufen dass wir protestieren. Wir sind dem Untergang geweiht. […][5]

Mit einer Fachtagung wird vom 4. bis 7. Juli in Oranienburg an Erich Mühsam erinnert.[6] Weiterhin gibt es eine Gedenk-Demonstration, Kulturprogramme und eine Ausstellung im Schloss Oranienburg.

[1]  Siehe Franz Golczewski, Die »Gleichschaltung« der Universität Köln im Frühjahr 1933. In: Geschichte in Köln, Sonderheft 11, Aspekte nationalsozialistischer Herrschaft in Köln und im Rheinland, Köln 1983
[2] Siehe: http://www.hans-mayer-gesellschaft.de/fuer-mich-war-diese-begegnung-ein-gluecksfall/
[3] Siehe: „Doktorgrad entzogen!“ Aberkennung akademischer Titel an der Universität Köln 1933 bis 1945, Köln 2005
[4] Erich Mühsam, Das seid ihr Hunde wert!, Ein Lesebuch herausgegeben von Markus Liske und Manja Präkels, Berlin 2014
[5] A.a.O., S. 307
[6] Siehe: https://www.muehsam-in-oranienburg.info/Muehsam/Fachtagung

Heinrich Bleicher