„Alles war auf Widerruf angelegt“

Der 20. Todestag Hans Mayers fällt in ein besonderes Jahr. Es wird der 1700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland gedacht. Beleg hierfür ist ein Edikt, das der römische Kaiser Konstantin am 11. Dezember 321 erlassen hat. Das Gesetz besagt, dass Juden städtische Ämter in der Kurie, dem Stadtrat Kölns, bekleiden dürfen.
In diesem Festjahr „#2021JLID“ wird es am 8. Juni eine Veranstaltung geben, in der an den aus einer jüdischen Familie stammenden Hans Mayer erinnert wird. Nachfolgend ein Beitrag zu Hans Mayers Judentum, der auch auf der Seite »Literatur in Köln« unter der Rubrik „Aktuelles“ dokumentiert ist. Siehe: https://literaturinkoeln.de/

Hans Mayer über Köln und sein Judentum

„Wenn die kleinen Judenkinder in Köln im Herbst zu den großen jüdischen Feiertagen des Neujahrsfestes und des Versöhnungsfestes in die Synagoge gingen, standen draußen, zu Anfang der zwanziger Jahre, die kleinen katholischen Kinder, um die ungläubigen Judenkinder zu verspotten. Lachend plärrten sie ihre Beschimpfungen, die so begannen: »Jud! Jud! Jud!, Hep! Hep! Hep!, Steck de Nas inne Wasserschepp«.“

Mit dieser “Kindergeschichte“ in seinem Buch »Reisen nach Jerusalem« erinnert sich der am 19. März 1907 in der Genter Straße 30 geborene Hans Mayer an seine jüdische Herkunft. Der Spottruf „Hep“, den die Kinder nicht hätten erklären können, erinnerte an die Eroberung Jerusalems im Jahr 70 durch den römischen Feldherrn und Kaiser Titus. Der Tempel wurde zerstört und die heiligen Geräte als Siegesbeute nach Rom gebracht. Nach der Vertreibung der Juden in eine Welt der Diaspora verhöhnten die Sieger die geschlagenen Juden mit dem Spottruf: »Hierosolyma est perdita. Jerusalem ist verloren! Hep!«[1] Dieser Ruf, so Hans Mayer, galt immer noch, auch am Ausgang eines zweiten Jahrtausends im römisch-katholischen Köln.

„Alles war auf Widerruf angelegt. In der ehemals freien Reichs- und Hansestadt Köln konnte das bürgerliche Judentum mit viel Duldung und keiner ernsthaften Gleichberech­tigung rechnen.”[2] in dem Kapitel »Deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens« stellt Hans Mayer dann fest: „Das bürgerliche Judentum jedoch vermochte sich auf niemand zu stützen: nicht auf den reichen und einflussvollen bürgerlichen Katholizismus, ebenso wenig auf die diffusen und in sich uneinigen Neinsager. Als Bürger konnten die Kölner Juden nicht gemeinsame Sache machen mit der Arbeiterschaft. Als Juden verfielen sie der theologischen Verurteilung. Deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens. Sie hatten nichts für sich anzuführen, als die Gleichheit vor dem Gesetz. Das war zu wenig.”[3] Das jüdische Bürgertum so konstatiert Mayer, „durfte dabei sein, ohne irgendwo mitbestim­men zu können.“[4]

[1] Hans Mayer, Reisen nach Jerusalem, Frankfurt am Main 1997, S. 11
[2] Hans Mayer, Ein Deutscher auf Widerruf Erinnerungen I, Frankfurt am Main 1982, S. 53
[3] ebenda, S. 55
[4] a. a. O., S. 56

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